Viele Streitigkeiten lassen sich außergerichtlich lösen und so gütlich beilegen. Doch nicht immer gelingt es, einen Konflikt auf diese Weise zu beenden. Bei diversen Streitfragen – sei es bei mangelhaften Leistungen, Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht oder Schadensersatzansprüchen aufgrund von Vertragsverletzungen – kann der Gang vor Gericht unvermeidbar werden, um die eigenen Rechte durchzusetzen. Die Klageerhebung ist dann oft der letzte Schritt, wenn andere Bemühungen zur Streitbeilegung gescheitert sind. Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über den allgemeinen Ablauf eines erstinstanzlichen Zivilprozesses. Vorgestellt werden die Schritte, die erforderlich sind, um eine Klage vor einem ordentlichen Gericht der Zivilgerichtsbarkeit einzureichen, ergänzt durch ein Muster für eine Klageschrift.
Ein Zivilverfahren beginnt mit Erhebung der Klage. Dies geschieht, indem eine Klageschrift bei Gericht eingereicht wird. Enthalten muss diese jeweils Angaben zu den Parteien, dem Gericht und zum Gegenstand des Verfahrens, sowie einen konkreten Antrag. Erhoben werden kann die Klage bspw. auf der Geschäfts- bzw. Rechtsantragsstelle des zuständigen Gerichts, regelmäßig wird man diese beim Gericht aber selbst einreichen, wahlweise in nachweisbarer Form postalisch (bspw. per Einwurf-Einschreiben) oder elektronisch (§ 130a ZPO) via EGVP. Sofern die schriftliche Form gewählt wurde, sind zusätzlich zur Klageschrift auch Abschriften derselbigen beizufügen, um dem Gericht die Zustellung an die Gegenseite zu ermöglichen (§ 253 V ZPO). Erst wenn die Klageschrift dem Beklagten zugestellt wurde, ist die Klage erhoben und die Streitsache wird rechtshängig (§§ 253 I ZPO, 261 I ZPO).
Mit Einreichung der Klageschrift wird auch ein sog. Gerichtskostenvorschuss fällig. Dies ist ein Vorschuss des Klägers auf die voraussichtlich anfallenden Gerichtskosten, der gezahlt werden muss, damit das Gericht seine Arbeit aufnimmt. Erst nach dessen Entrichtung erfolgt die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten. Bei Erfolg der Klage hat der Beklagte den Prozesskostenvorschuss an den Kläger zurückzuzahlen. Die Kostenentscheidung erfolgt mit der Streitwertfestsetzung durch Beschluss. Wenn der Streitwert aber bereits relativ klar festgestellt werden kann, bspw. weil auf die Zahlung einer konkreten Geldsumme geklagt wird, so kann der voraussichtliche Gerichtskostenvorschuss auch direkt der Klageschrift in Form von elektronischen Kostenmarken beigefügt werden.
Berechnet wird der Gerichtskostenvorschuss anhand des Streitwerts. Aus dem GKG wird ersichtlich, welche Wertgebühr für den Streitwert angesetzt wird und mit welcher Summe diese zu multiplizieren ist. Wird bspw. der Streitwert vorläufig auf EUR 1.000,– geschätzt, so beträgt der Gerichtskostenvorschuss für die erstinstanzliche Klage vor dem Amtsgericht 3,0 (GKG VV 1210) * 58 (Anl. 2 GKG) = EUR 174,–. Setzt das Gericht nachträglich einen höheren Streitwert fest, als ursprünglich in der Klageschrift angenommen, müssen entsprechende Mehrkosten ebenfalls erstattet werden, damit das Gericht seine Arbeit aufnimmt. Gegen diesen Beschluss kann allerdings, wenn die festgesetzte Summe als unverhältnismäßig angesehen wird, auch Beschwerde erhoben werden (§§ 63, 68 GKG).
Ist die Klage erfolgreich erhoben, so entscheidet das Gericht über die weitere Verfahrensweise. Insbesondere bei augenscheinlich simplen Fällen ordnet das Gericht regelmäßig einen frühen ersten Termin an. Dies ist ein vollwertiger mündlicher Verhandlungstermin, auf den meist ein Haupttermin folgt, in dem aber theoretisch auch schon eine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen werden kann. Ebenfalls möglich ist die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens. Hierbei wird der Beklagte zunächst aufgefordert, seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und sodann eine Klageerwiderung einzureichen. Hiernach folgt, im Gegensatz zum frühen ersten Termin, nicht unmittelbar eine mündliche Verhandlung, sondern der Kläger kann wiederum auf die Erwiderung eingehen (§ 276 III ZPO). Auch in dieser Verfahrensweise wird schlussendlich ein Termin zur zur Verhandlung als Haupttermin anberaumt.
Vor Beginn einer mündlichen Verhandlung, egal ob bei einem frühen ersten Termin oder beim Haupttermin, findet eine Güteverhandlung statt. Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Streitbeilegung hinwirken. Beim Gütetermin wird grundsätzlich das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet; eine Partei kann dem Verfahren dann nur fernbleiben, wenn sie einen Prozessbevollmächtigten entsendet, der über den Tatbestand aufklären kann und auch zum Schluss eines Vergleichs bevollmächtigt wurde (§§ 278 III, 141 III 2 ZPO). Während der Güteverhandlung erörtert das Gericht den Sach- und Streitstand mit den Parteien und stellt ggf. Fragen. Im Regelfall lässt das Gericht hierbei auch bereits durchblicken, wie nach gegenwärtigem Stand eine Entscheidung ausfallen würde. Kann keine gütliche Einigung erreicht werden, ist die Güteverhandlung erfolglos. An sie schließt sich unmittelbar die mündliche Verhandlung an.
Mit Beginn der mündlichen Verhandlung kann auch Versäumnisurteil ergehen, wenn eine Partei zur Güteverhandlung nicht erschienen ist (§§ 279 I 1, 330, 331 I 1 ZPO). Nachdem die Sache aufgerufen wurde und die Parteien sowie das Gericht Platz genommen haben, wird die Sitzung durch den Vorsitzenden eröffnet und die Anwesenheit der Parteien festgestellt. Wenn nicht bereits die Güteverhandlung stattgefunden hat, würde diese nun folgen. Auch wenn die Güteverhandlung bereits in einem anderen Termin stattgefunden hat, erörtert das Gericht aber zunächst den Sach- und Streitstand mit den Parteien. Ist erkennbar weiterhin keine gütliche Einigung möglich, stellen die Parteien ihre Anträge; im Regelfall ist dies seitens des Klägers der Antrag aus der Klageschrift, seitens des Beklagten der Antrag auf Klageabweisung. Es folgt sodann die streitige Verhandlung, in welcher die Parteien über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage streiten. Das Gericht übernimmt hierbei eine moderative Rolle und kann den Parteien das Wort erteilen.
Handelt es sich bei der mündlichen Verhandlung um den Haupttermin, so folgt die Beweisaufnahme, sofern diese erforderlich ist, unmittelbar nach der streitigen Verhandlung. Beweismittel können in Augenschein genommen und Zeugen sowie Sachverständige angehört werden. Auch die Parteien selbst können im Rahmen einer Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO) durch das Gericht befragt werden. Ist eine Beweisaufnahme erfolgt, so wird die mündliche Verhandlung nach deren Beendigung fortgesetzt und abermals der Sach- und Streitstand mit den Parteien erörtert. Insbesondere ist auch das Ergebnis der Beweisaufnahme zu besprechen, konkret, ob das Gericht behauptete Tatsachen für bewiesen hält. Werden keine weiteren Beweisanträge gestellt und haben die Parteien Gelegenheit erhalten, noch einmal abschließend zur Sache vorzutragen, wird die mündliche Verhandlung geschlossen. Das Gericht trifft seine Entscheidung durch Urteil. Möglich ist dies zwar auch direkt nach der Verhandlung (sog. Stuhlurteil), regelmäßig wird jedoch ein neuer Termin zur Verkündung des Urteils anberaumt.
Im Gegensatz zum Strafverfahren ist der Personenkreis, der im Zivilverfahren zu Prozessbevollmächtigten bestellt werden kann, recht eingeschränkt. Vor dem Land- und Oberlandesgericht muss sich eine Partei durch einen Rechtsanwalt, vor dem Bundesgerichtshof durch einen bei diesem zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 78 I ZPO). Vor den Amtsgerichten ist eine solche Vertretung jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Die Partei kann in diesem Fall nicht nur einen Rechtsanwalt, sondern bspw. auch einen von ihr angestellten Justitiar (§ 79 II 2 Nr. 1 Hs. 1 ZPO) oder eine Person mit Befähigung zum Richteramt (§ 79 II 2 Nr. 2 ZPO) als Prozessbevollmächtigten benennen.
Muster: Klageschrift einer Leistungsklage
Erik Exempel
Exempelgasse 1a
12345 Exempelstadt
Amtsgericht Musterstadt
– Zivilsegment –
Platz der Muster 1
12345 Musterstadt
Exempelstadt, 09.01.2025
Klage
In Sachen
des Bernd Beispiel, Beispielstraße 1, 12345 Beispieldorf
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Erik Exempel, Exempelgasse 1a, 12345 Exempelstadt, Gz.: 001/25 EX/ex
gegen
die Beispiel Großhandel KG, Musterstraße 1a, 12345 Musterstadt
vertreten durch ihre persönlich haftenden Gesellschafter, diesseits vertreten durch ihren Geschäftsführer Max Mustermann, zu laden über die Beklagte
– Beklagte –
wegen: Schadensersatzforderung
vorläufiger Streitwert: EUR 1.000,–
erhebe ich Namens und in Vollmacht des Klägers Klage mit dem Antrag,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i. H. v. EUR 1.000,– nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen;
- das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Eine auf mich lautende Prozessvollmacht ist als Anlage K1 beigefügt.
Für den Fall der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens wird zugleich beantragt, die Beklagte bei Versäumung der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft durch Versäumnisurteil, bei Anerkennung des Anspruchs durch Anerkenntnisurteil zu verurteilen.
Begründung:
I.
[Sachvortrag]
II.
[Rechtsvortrag]
Nach alledem ist der Klage stattzugeben. Sollte das Gericht trotz der eindeutigen Sach- und Rechtslage weitere Ausführungen für geboten halten, wäre ich für einen entsprechenden Hinweis nach § 139 ZPO dankbar.
Der Klage ist kein Versuch einer außergerichtlichen gütlichen Einigung oder sonstigen Mediation vorausgegangen. Aufgrund der vorprozessualen Verweigerungshaltung der Beklagten scheint eine gütliche Streitbeilegung nicht ohne Beteiligung des Gerichts möglich zu sein, sodass Klage geboten ist.
Gegen die Durchführung einer Videoverhandlung bestehen von Seiten des Klägers keine Bedenken.
EUR 174,– als Gerichtskostenvorschuss sind als elektronische Gerichtskostenmarke beigefügt.
Zwei einfache Abschriften anbei.
E. Exempel
Erik Exempel
Hinweise zum Muster:
- Zur Vereinfachung wird im Muster kein vollständiger Sach- und Rechtsvortrag dargelegt, da diese Informationen sowieso an den konkreten Einzelfall anzupassen sind. Im Sachvortrag sollte hierbei der Sachverhalt möglichst konkret geschildert werden. Beweismittel sind ebenfalls zu bezeichnen. Im Rechtsvortrag folgt die rechtliche Begründung der Klage. Aus dem Rechtsvortrag sollte ersichtlich werden, warum die Klage zulässig ist.
- Reichen Sie die Klage selbst ein, so tun Sie dies selbstredend im eigenen Namen und ohne Angaben zu einem Prozessbevollmächtigten.
- Ist der Prozessbevollmächtigte kein Rechtsanwalt, so sollte nicht nur auf die Vollmacht, sondern auch auf den Grund für die bestehende Postulationsfähigkeit hingewiesen werden. Sofern die Klägerin ein Unternehmen ist, kann bspw. die Angabe, „Ich bin angestellter Justitiar der Klägerin”, dem Hinweis auf beigefügte Vollmacht vorangestellt werden.
- Auch dann, wenn die beklagte Partei sich bereits außergerichtlich hat vertreten lassen, ist in der Klageschrift kein Prozessbevollmächtigter für sie zu bezeichnen.
- Elektronische Kostenmarken können per Kreditkarte oder Überweisung bei der hierfür eingerichteten Zentralstelle beim OLG Hamm unter www.justiz.de/kostenmarke erworben werden.