§ 2 Geschützte Werke

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2. Werke der Musik;
3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;
6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.


1 Abs. 1 dieser Vorschrift zählt lediglich beispielhaft verschiedene Werkarten auf. Neue Werkarten lassen sich mit unter die kataloghaft genannten Werkarten des Abs. 1 einbeziehen, auch wenn diese nicht explizit aufgeführt sind (BGH GRUR 85, 1041 = BGH, Urt. v. 09.05.1985 – I ZR 52/83).
2 Schutzfähig ist ein Werk stets nur dann, wenn es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelt. Gemeint ist hiermit ein menschliches Erzeugnis; Maschinenerzeugnisse, sofern sie nicht durch einen Menschen unter Zuhilfenahme technischer Mittel selbst geschaffen wurden, und Naturprodukte sind nicht schutzfähig (Schricker/Loewenheim/Leistner § 2 Rn. 39). Ein Zufallsprodukt kann stets nur dann urheberrechtlich geschützt sein, wenn es von einem Menschen ausgewählt oder auf besondere Weise, wie etwa als Kunstwerk, präsentiert wird (Schricker/Loewenheim/Leistner §2 Rn. 44).
3 Der Zustand des Urhebers ist für dessen Eigenschaft als solcher unerheblich. Auch eine minderjährige oder geistig unzurechnungsfähige Person kann Urheber sein. Selbiges gilt, wenn eine Person behauptet, durch ein mythologisches Wesen ein Werk diktiert bekommen zu haben; sofern nicht die Urheberschaft einem Dritten nachgewiesen werden kann, bleibt die Person, der der Text vermeintlich diktiert wurde, der Urheber (BGH GRUR 91, 456 = BGH, Urt. v. 07.06.1990 – I ZR 191/88).
4 Es handelt sich bei einem urheberrechtlich geschützten Werk um ein Immaterialgut. Das Werk ist stets ein geistiger Inhalt und muss, obgleich dies oft der Fall ist, nicht notwendigerweise in einem Werkstück körperlich festgehalten werden (Schricker/Loewenheim Einl. Rn. 7 m. w. N.). Auch muss das Werk nicht vollendet sein, wenn eine Zwischenstufe des Werks bereits selbst alle Voraussetzungen erfüllt, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen (Dreier/Schulze § 2 Rn. 15 m. w. N.). Besteht ein Werk aus mehreren Teilen, so kann auch ein einzelner Teil eines Werkes urheberrechtlich geschützt sein (BGH NJW 75, 2064 = BGH, Urt. v. 23.05.1975 – I ZR 22/74).
5 Die Wahrnehmung des Werks erfolgt in dessen Gesamteindruck. Von einer geistigen Schöpfung kann gesprochen werden, wenn der Urheber mit dem Werk einen Gedanken- oder Gefühlsinhalt vermitteln will, der auf den Wahrnehmenden des Werks eine anregende Wirkung hat. Eine geistige Schöpfung ist stets anzunehmen, wenn das Werk einen ästhetischen Gehalt aufweist. Dies ist der Fall, wenn das Werk aus geister Arbeit entstanden und das Produkt einer sinnlich wahrnehmbaren schöpferischen Formgestaltung ist (BGH GRUR 85, 1041 = BGH, Urt. v. 09.05.1985 – I ZR 52/83).
6 Das Werk muss wahrnehmbar sein damit es schutzfähig ist, der bloße Gedanke ist nicht ausreichend. Obgleich das Werk nicht physisch festgehalten sein muss (→ Rn. 4), ist die Wahrnehmbarkeit stets erforderlich. Bei einer Rede kann diese bspw. durch das Vortragen derselbigen gegeben sein (Schricker/Loewenheim/Leistner § 2 Rn. 47 m. w. N.). Auch wenn ein Hilfsmittel zur Wahrnehmung des Werkes erforderlich ist, ist die Wahrnehmbarkeit des Werkes selbst zu bejahen. Dies ist bspw. bei einem Bild der Fall, das live übertragen und erst durch das Betrachten auf einem Fernseher wahrnehmbar wird (BGHZ 37, 1 = BGH, Beschl. v. 27.02.1962 – I ZR 118/60). Auch noch zu erschaffende Werke können bereits wahrnehmbar sein. So sind etwa alle möglichen Bilder, die während eines Videospiels zu sehen sein können, vorprogrammiert und somit durch den Programmierer geschaffen, nicht durch den Nutzer, der das Spiel verwendet (OLG Hamburg GRUR 83, 436 = OLG Hamburg, Urt. v. 31.03.1983 – 3 U 192/82).
7 Hinsichtlich des Schutzes von Werken, die durch künstliche Intelligenz (KI) entstanden sind, ist vor allem auf das Merkmal der persönlichen geistigen Schöpfung hinzuweisen und die bisherige Rechtsprechung hinsichtlich Computerprogrammen als Werkzeug zur Schaffung eines Werkes (→ Rn. 2) zu berücksichtigen. Eine KI kann in keinem Fall selbst Urheber sein; ob das durch die KI geschaffene Werk selbst urheberrechtlichen Schutz genießen kann, ist derzeit noch fraglich. Ein Teil des Schrifttums nimmt an, dass durch KI erstellte Werke grundsätzlich nicht urheberrechtlich geschützt sein können (Schmid, Wem gehört das Werk einer Künstlichen Intelligenz?, WBS – Die Experten; Milrath/Salewski, Kennzeichnungspflichten für KI-Inhalte nach aktueller und künftiger Rechtslage, IT-Recht-Kanzlei). Hierüber hinaus ist allerdings zu berücksichtigen, dass einer durch einen Menschen geschaffenen Anweisung an die KI, einem sog. Prompt, durchaus urheberrechtlicher Schutz zuteil werden kann. Ein weiterer Teil des Schrifttums nimmt daher an, dass die KI bei Existenz eines hinreichend konkreten Prompts, der bei mehrmaliger Nutzung zur Erzeugung eines immer ähnliches Ergebnisses führt, selbst als Werkzeug verstanden werden kann und der Mensch hierbei weiterhin den schöpferischen Teil übernimmt (Lenzen, Künstliche Intelligenz, C.H.Beck, 2018, S. 31 ff.; Hetmank/Lauber-Rönsberg GRUR 18, 574).
8 Im Sinne einer Doppelschöpfung sind auch zwei unabhängig voneinander geschaffene Werke schutzfähig, die zu einem gleichen Ergebnis kommen. Insbesondere bei der sog. kleinen Münze, womit Formulare und vergleichbare Druckerzeugnisse bezeichnet werden, sind Doppelschöpfungen häufig, wenn eine bestimmte Gestaltungsweise erforderlich, naheliegend oder üblich ist (OLG Köln GRUR 86, 889 = OLG Köln, Urt. v. 19.09.1986 – 6 U 199/85). Andere Werke unterscheiden sich meist, auch wenn zwei Urheber dieselbe Inspiration zur Schaffung ihres Werkes nutzen. Regelmäßig ist zumindest eine gewisse Andersartigkeit gegenüber einem schon bestehenden Werk notwendig, nicht aber eine absolute Neuheit des Werkes.
9 Für die Schutzfähigkeit muss ein Werk eine gewisse Individualität, auch Schöpfungshöhe, besitzen. Diese ist subjektiv im konkreten Einzelfall zu bemessen (Schulze GRUR 84, 400). Regelmäßig genügt die bloße Anordnung geometrischer Formen oder einzelner Buchstaben einer frei verfügbaren Schriftart nicht aus, um die Schöpfungshöhe zu begründen. Einzelne Indizien, die für die Prüfung der Schöpfungshöhe herangezogen werden können sind u. a. Komplexität, Gestaltungswille und Ersteindruck (Dreier/Schulze § 2 Rn. 63 ff.).

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Stand 05/2024