(1) Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
1 In Zusammenhang mit § 20 UWG bildet § 16 UWG das Lauterkeitsstrafrecht. Auch wenn zivilrechtliche Maßnahmen deutlich häufiger zur Ahndung von Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht ergriffen werden, ist die praktische Bedeutung strafbarer Werbung groß. Bundesweit wurden im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr 13 % mehr Straftaten nach § 23 III GeschGehG und § 16 UWG erfasst (PKS 2023, Schlüsselnr. 719200). Obwohl keine getrennte statistische Erfassung erfolgt, ist davon auszugehen, dass Fälle von strafbarer Werbung den überwiegenden Teil der erfassten
Delikte ausmachen (MüKoStGB/Janssen/Maluga § 16 UWG Rn. 9).
2 Hervorgegangen ist die Norm aus den §§ 4 – strafbare Irreführung – und 6 – progressive Kundenwerbung – UWG a. F. im Rahmen der UWG-Reform 2004. Große Änderungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage fanden nicht statt. § 16 UWG reformierte das UWG insofern, als dass der Abs. II des § 4 UWG a. F. gestrichen und die Norm im Übrigen sprachlich vereinfacht wurde. Darüber hinaus wurde der Personenkreis des § 6 UWG a. F. angepasst; die Norm ist nunmehr ausschließlich bei Anwerbung von Verbrauchern anzuwenden (BGBl. I 2004, 1414). Es handelt sich weiterhin um zwei inhaltlich und strukturell unterschiedliche Delikte.
3 Der Schutzzweck des Abs. I ist der Schutz von Mitbewerbern und Verbrauchern vor unlauterem Wettbewerb (BGHSt 27, 293). Die strafbare Irreführung bietet, da sie im objektiven Tatbestand keinen Vermögensschaden voraussetzt, für Verbraucher auch Schutz vor Vorstufen des Betruges, bei denen sonst der objektive Tatbestand des Betruges noch nicht verwirklicht gewesen wäre. Auch der Schutzzweck des Abs. II erstreckt sich auf Mitbewerber sowie Verbraucher. Insbesondere der teils glücksspielartige Charakter von Modellen der progressiven Kundenwerbung stellt hierbei ein Risiko für Verbraucher dar (BGHSt 2, 79; BGHSt 2, 139; KBF/Bornkamm § 16 Rn. 3 m. w. N.).
4 Der Schutz von Verbrauchern vor irreführenden Wettbewerbshandlungen ist auch durch Unionsrecht geregelt (EU-Richtlinie 2006/114/EG; EU-Richtlinie 2005/29/EG). Die Auslegung der Normen des Lauterkeitsstrafrechts wird maßgeblich durch das Unionsrecht beeinflusst (GK-UWG/Waßmer § 16 Rn. 3).
5 Die Deliktsnatur beider Absätze ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Es handelt sich bei strafbarer Werbung stets um ein Vergehen. Der Versuch der strafbaren Irreführung ist nicht strafbewehrt, bei progressiver Kundenwerbung handelt es sich indes um ein Unternehmensdelikt, sodass die Tat bereits vollendet ist, wenn der Versuch unternommen wurde, das Werbe- und Vertriebssystem in Gang zu setzen (BGHSt 56, 174; MüKoStGB/Janssen/Maluga § 16 UWG Rn. 96).
Strafbare Irreführung
6 Der objektive Tatbestand der strafbaren Irreführung erfordert, dass Angaben gemacht werden. Als Angabe sind alle Tatsachenbehauptungen anzusehen, die dem Beweis zugänglich sind. Nicht erfasst sind Meinungsäußerungen sowie Werbeaussagen, die stark übertrieben sind und für einen objektiven Dritten erkennbar nicht ernst genommen werden sollen (Graf/Jäger/Wittig/Krell § 16 UWG Rn. 15). Angaben können in jeder Form gemacht werden, insbesondere auch konkludent (Leitner/Rosenau/Reinbacher § 16 UWG Rn. 14; BGH, Urt. v. 27.06.1961 – I ZR 135/59, Ber. Schäffer JURios, 04.04.2021). Erfasst sind auch solche Angaben, die im Rahmen vergleichender Werbung getätigt werden (GK-UWG/Waßmer § 16 Rn. 22 m. w. N.).
7 Die getätigte Angabe muss irreführend sein. Hierbei ist nicht entscheidend, ob tatsächlich eine Person in die Irre geführt wurde, sondern einzig, ob die Angabe zur Irreführung geeignet ist (BGHSt 52, 227). Die Eignung zur Täuschung ist objektiv zu bestimmen, wobei der Gesamteindruck der Werbung auf einen potentiellen Adressaten, im Regelfall den Otto Normalverbraucher, u. U. aber auch eine durchschnittlich informierte Person einer bestimmten Gruppe, bspw. wenn die Aussage sich an Fachpublikum richtet, ausschlaggebend ist (KBF/Bornkamm § 16 Rn. 9; Graf/Jäger/Wittig/Krell § 16 UWG Rn. 34; Harte/Henning/Dreyer § 16 Rn. 16; BGH GRUR 2002, 182). Eine tatsächlich eingetretene Irreführung dient als Indiz (Graf/Jäger/Wittig/Krell § 16 UWG Rn. 37).
8 Eine Irreführung kann auch dann vorliegen, wenn bei einer Werbung relevante Angaben verschwiegen werden. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dass eine Garantenpflicht zur Aufklärung besteht (GK-UWG/Waßmer § 16 Rn. 36; Rengier FS Hansjörg Otto, 727). Eine solche Garantenstellung lässt sich insbesondere aus einer gesetzlichen Aufklärungspflicht herleiten (KBF/Bornkamm § 16 Rn. 13).
9 Überdies muss die Angabe auch unwahr sein. Nach früherer Rechtsprechung wurde für dieses Merkmal nur auf die Auffassung einer durchschnittlichen Person des angesprochenen Verkehrskreises abgestellt (so etwa RGSt 47, 161), doch ist nach h. M. wie auch höchstrichterlicher Rechtsprechung ein objektiver Prüfungsmaßstab anzuwenden (MüKoUWG/Brammsen § 16 Rn. 32; BGHSt 52, 227). Insbesondere aufgrund des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 GG erscheint es sinnvoll, bloß auf den objektiven Sinngehalt der getätigten Angabe abzustellen.
10 Der objektive Tatbestand erfordert, dass die unwahre Angabe in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, für irreführende Werbung genutzt wird. Mitteilungen, die sich lediglich an Einzelpersonen richten, sind somit vom Tatbestand ausgenommen und können strafrechtlich nur geahndet werden, wenn der Straftatbestand des Betruges erfüllt ist.
11 Eine öffentliche Bekanntmachung ist eine Verbreitung, die sich an jedermann richtet, wie etwa Werbe-Popups, Zeitungsanzeigen, Fernsehwerbung, Radiospots oder Warenzeichen (KBF/Bornkamm § 16 Rn. 14). Zur Bejahung des Merkmals ist es ausreichend, wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme für jedermann besteht; auf die tatsächliche Anzahl von Personen, die die Verbreitung wahrgenommen haben, kommt es insofern nicht an.
12 Unter Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, sind Werbungen zu verstehen, die sich nicht an jedermann, wohl aber an einen größeren Kreis von Personen richtet. Der Personenkreis darf vom Werbenden nach seiner Zahl und Persönlichkeit bestimmt sein. Beispielhaft sind für derartige Mitteilungen etwa Angaben auf Briefpapier, Werbeprospekte oder Speisekarten zu nennen.
13 Der subjektive Tatbestand des Abs. I erfordert den dolus eventualis hinsichtlich aller objektiver Tatbestandsmerkmale. Dem Täter muss die Unwahrheit der Angabe und die Eignung zur Irreführung bewusst sein. In Bezug auf das Hervorrufen des Anscheins eines besonders günstigen Angebots, muss dolus directus 1. Grades bejaht werden können. Es genügt, wenn der Täter anstrebt, diesen Anschein hervorzurufen (Graf/Jäger/Wittig/Krell § 16 UWG Rn. 99). Das Merkmal der besonderen Günstigkeit kann bereits angenommen werden, wenn das Angebot minimal mehr, als das allgemein übliche bietet (KBF/Bornkamm § 16 Rn. 19).
14 Konkurrenzen des Abs. I sind die progressive Kundenwerbung i. S. d. Abs. II sowie der Tatbestand des Betruges, welche mit der strafbaren Irreführung in Tateinheit stehen. Auch Strafvorschriften aus dem Nebenstrafrecht, wie etwa ein Verstoß gegen § 143 MarkenG oder § 14 HWG, können zur strafbaren Irreführung in Tateinheit stehen.
15 Hinsichtlich Rechtswidrigkeit und Schuld sind die allgemeinen Grundsätze anzuwenden. An einen Verbotsirrtum sind besonders hohe Anforderungen zu stellen. Regelmäßig ist ein solcher nur dann anzunehmen, wenn ein Unternehmer im Voraus ein Rechtsgutachten einer unbefangenen Person eingeholt hat, welches ihm die Unbedenklichkeit seiner geplanten Werbemaßnahme bescheinigt hat (GK-UWG/Waßmer § 16 Rn. 64 m. w. N.).
Progressive Kundenwerbung
16 Typische Erscheinungsformen der progressiven Kundenwerbung sind das Pyramiden- und Schneeballsystem. Letzteres zeichnet sich dadurch aus, dass das veranstaltende Unternehmen mit jedem neu geworbenen Kunden einen eigenen Vertrag schließt. Möglich ist dies bspw., wenn ein Unternehmer ein Produkt unter einem überhöhten Preis verkauft und den Verbraucher dazu bestimmt, weitere Verbraucher als Kunden anzuwerben, die ihrerseits gleichartig handeln, um im Gegenzug den Kaufpreis stufenweise zurückzuerhalten (BGHSt 2, 79).
17 Bei einem Pyramidensystem schließt das veranstaltende Unternehmen nur mit dem ersten Kunden einen Vertrag ab. Kunden auf niedrigeren Strukturebenen schließen jeweils nur mit der Person einen Vertrag ab, von der sie für das System angeworben wurden (Harte/Henning/Dreyer § 16 Rn. 67). Hinsichtlich der Beurteilung der Strafbarkeit ist entscheidend, ob das System primär auf dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen beruht, oder ob die Kundengewinnung im Vordergrund steht (OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2016, 202). Gerade durch die Möglichkeiten von Online-Marketing, bspw. beim Influencer-Marketing, sind die Strukturen eines solchen Systems zunehmend schwerer zu analysieren und auch für Verbraucher undurchsichtiger. In einem Pyramidensystem muss der Erstkunde im Regelfall eine Eigenleistung erbringen, um am System beteiligt zu werden. Ein solches Pyramidensystem besteht bspw., wenn unter dem Vorwand der Teilnahme an einem Motivationsseminar Verbrauchern eine Tätigkeit auf Privisionsbasis angeboten wird, für die sie jedoch zunächst ein Seminar buchen müssten und die daraus bestehen würde, gleichartige Verkaufsseminare zu veranstalten, die der Anwerbung neuer Verbraucher dienen (BGH NJW 2011, 1236).
18 Alle Arten der progressiven Kundenwerbung haben gemein, dass ein Kettenelement besteht. Für Verbraucher erscheint der versprochene Vorteil meist leicht erreichbar. Bei den ersten angeworbenen Kunden mag dies auch zutreffen, allerdings tritt allmählich eine Marktsättigung ein, die immer schneller schneller voranschreitet, je mehr neue Teilnehmer in das System eingeführt werden, sodass schlussendlich die Chance für angeworbene
Kunden, ihrerseits neue Teilnehmer für das System zu finden, immer mehr abfällt (KBF/Bornkamm § 16 Rn. 35)
19 Strafbar macht sich grundsätzlich der Veranstalter des Systems. Täter kann insofern jede Person sein, die zur Tat ansetzt (→ Rn. 5). Kommt der Veranstalter aufgrund der allgemeinen Grundsätze nicht als Täter infrage, kann er als Anstifter bestraft werden. Teilnehmende Verbraucher des Systems bleiben grundsätzlich straffrei, sofern sie aus diesem keinen Nutzen ziehen, der über das Maß der Notwendigkeit zur Teilnahme hinausgeht (Wünsche BB 2012, 273).
20 Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass die Tat im geschäftlichen Verkehr begangen wird. Gemeint ist hiermit jede selbständige, wirtschaftliche Zwecke verfolgende Tätigkeit, bei der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt (BGH NJW 1998, 390; BGH NStZ 1995, 432). Es lässt sich jede Förderung eines eigenen oder fremdem Geschäftszwecks, die sich nach außen richtet und somit wirtschaftliche Zwecke verfolgt, unter dem Begriff zusammenfassen (MüKoUWG/Brammsen § 16 Rn. 116 m. w. N.). Eine Strafbarkeit scheidet somit aus, wenn lediglich private Rechtsbeziehungen betroffen sind (BGH NJW 1987, 851).
21 Durch Abs. II geschützt werden Verbraucher. Für eine Definition kann hier auf den allgemeinen Verbraucherbegriff aus § 13 BGB abgestellt werden. Problematisch ist allerdings, dass die angeworbenen Verbraucher als Teilnehmer vom System auch selbst unternehmerisch tätig werden. Davon auszugehen, dass die Teilnehmer hierdurch keine Verbraucher mehr wären, widerspricht jedoch dem Sinngehalt der Norm (BGH GRUR 2011, 941), weshalb bei der Prüfung nur der Zeitpunkt zu berücksichtigen ist, an welchem eine Person zur Beteiligung am System veranlasst wird; zu diesem ist der Verlust der Verbrauchereigenschaft jedenfalls noch zu verneinen (EuGH, Urt. v. 03.07.1997 – C-269/95; KBF/Bornkamm § 16 Rn. 41 m. w. N).
22 Die Tat wird durch die Veranlassung eines Verbrauchers verwirklich, Waren, Dienstleistungen oder Rechte abzunehmen. Der Begriff ist weit gefasst. Gemeint ist grundsätzlich jede Art der Beeinflussung eines Verbrauchers, die objektiv darauf gerichtet ist, ihn zu einer solchen Abnahme zu bringen (Graf/Jäger/Wittig/Krell § 16 UWG Rn. 160). Eine Abnahme ist der Erwerb gegen Entgelt. Für welchen Zweck die Kosten vorgeblich erhoben werden, spielt hierbei ebenso keine Rolle, wie die Tatsache, ob es tatsächlich zu einer Abnahme gekommen ist (MüKoUWG/Brammsen § 16 Rn. 111; GK-UWG/Waßmer § 16 Rn. 114 m. w. N.).
23 Auch gehört zur Tathandlung, dass dem Verbraucher besondere Vorteile versprochen werden, wenn er weitere Personen zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen würde, die ihrerseits nach der Art der Werbung weitere Teilnehmer durch Werbung
mit derartigen Vorteilen in das System einführen sollen. Ein Vorteil ist jede vermögenswirksame Leistung, welche nicht mit der beworbenen Sache oder Leistung identisch ist, sondern als besonders Lockmittel zum Eintritt in das System dient (KBF/Bornkamm § 16 Rn. 46 m. w. N.). Gewährt werden muss der Vorteil nach dem Wortlaut der Norm nicht zwingend vom Veranstalter selbst; tatbeständsmäßig ist ebenso eine Gewährung durch Dritte, wie etwa andere Teilnehmer des Systems, sofern dies unter der aufschiebenen Bedingung geschieht, dass der Vorteil für die Werbung anderer Personen für die Teilnahme am System gewährt wird (KBF/Bornkamm § 16 Rn. 48).
24 Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands des Abs. II ist der dolus eventualis ausreichend. Dem Täter müssen die Um-
stände bekannt sein, welche die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands begründen.
25 Konkurrenzen des Abs. II umfassen meist gleichartige Taten. Wird mit mehreren Handlungen einer Person dasselbe System gefördert, besteht zwischen den Taten Handlungseinheit (KG NStZ-RR 2005, 26). Werden weitere Straftatbestände, insbesondere Betrug, verwirklich, so besteht Tateinheit.
26 Als Rechtsfolge sieht Abs. II Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor. Erwirtschafteter Gewinn, der zu Lasten von Verbrauchern ging, kann abgeschöpft werden. Verträge, die zwischen dem Täter und Teilnehmern geschlossen wurden, sind nichtig (§ 134 BGB). Zwar handelt es sich bei der progressiven Kundenwerbung gem. § 374 I Nr. 7 StPO um ein Privatklagedelikt, jedoch ist im Regelfall ein besonderes öffentliches Interesse zu bejahen, wenn nicht bloß eine Rechtsverletzung vorliegt, die den Rechtsfrieden nur minimal stört (GK-UWG/Waßmer § 16 Rn. 145).
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Stand 06/2025